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Ästhetische Interventionen

Johnny Bear and the Sheephearts spielen heute Abend und ich gehe mit meinen Freunden hin. Für unsereins galten sogar in der Corona-Pandemie keinerlei Beschränkungen - wir haben Panda(s) in der Verwandtschaft, das reicht völlig. Die haben immer ein verschmiertes Augenmake up und nennen das arrogant Smokey eyes. Wenn die Party beginnt, sehen die schon aus, als hätten sie die Nacht hinter sich und nur gekifft und gesoffen.

Egal, also, mein Mensch hat gesagt, ich soll mich auf dem Heimweg vom Aachener Bushof fernhalten. Diese Gegend ziemt sich nicht für ein anständiges Bären-Mädchen, außerdem ist das ein Opferbezirk. „Ich bin kein Opfer! Ich bin Piccolina!“ vermaule ich mich erbost. Mein Mensch zupft mir liebevoll den Pelz und beruhigt mich, sie habe von einem Freund gehört, einem Kripo-Beamten, dass es so etwas wie Täterbezirke und Opferbezirke gäbe. Nicht nur hier in Aachen, sondern sogar in Wien, wo wir beide doch so sehr gerne sind und wonach ich inzwischen richtige Sehnsucht verspüre. „Der erste Wiener Bezirk ein klassischer Opferbezirk, weil dort, Picco, wird dir was geklaut; dort sind wir, die Touristen. Und es gibt gewisse Bezirke, die sind Täterbezirke. Dreck, Müll, Schmierereien, eingeschlagene Scheiben. Aber wenn du in denen wohnst, passiert dir selber weniger.“ Ich erzähle meinem Mensch jetzt besser nicht, wen ich am Bushof alles gut kenne und warum mir dort garantiert nichts passiert…

Mein Mensch plappert unbedarft weiter: „Weißt du Picco, warum ich versuche, sogar und erst recht mein Arbeitsumfeld mit Kunst und Farbe zu dekorieren, es schön und gepflegt zu gestalten?“ Es nervt, ich will los: „Klar, weil du Künstlerin bist!“ „Aber nicht nur, Picco. Man hat sich ja immer schon mit Ästhetik und Kriminalität beschäftigt. Von New York hast du das gewusst, jedenfalls früher, als New York noch gefährlich war. Als wir das erste Mal in New York waren, haben wir uns doch kaum aus dem Hotel rausgetraut! Und auf der Upper West Side warst du auf einer Seite noch sicher, auf der anderen Straßenseite, wo die Fensterscheiben kaputt waren, hast du gewusst: ‚Da wirst du wahrscheinlich überfallen!‘ Das heißt, die Ästhetik hat auch immer schon ausgedrückt, wie die Menschen sich an einem Ort verhalten und du konntest auch die Signale und die Zeichen lesen.“

Mein Mensch denkt tatsächlich, dass man kaum die Wände bunt anmalt und die Fenster und Klo‘s in Ordnung bringt - schon hat’s eine Veränderung… Und als hätte ich das nicht nur gedacht, sondern laut gesagt fährt sie fort: „Genau so isses, Picco. So isses. Ich habe das in La Paz erlebt, wo die Seilbahnen von Doppelmeyer drübergehen, ganz ganz triste Viertel… Und kaum sind die Künstler gekommen, die dort wirklich tolle Dinge gemacht haben, hat das tatsächlich die Kriminalitätsrate gesenkt. Ästhetik wirkt sich aus, und du kannst mit ästhetischen Interventionen im sozialen Bereich sehr viel machen.“ Sie zwinkert mir verschmitzt und wissend zu: „Schau dich um und denk mal drüber nach, wenn du nach der Party wieder mit deinen Freunden am Bushof abhängst…“

Danke an SZ, Tatjana Lackner und Christian Mikunda für die Inspiration

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